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Rudertag 2018 - Spitzengremium des deutschen Rudersports tagt in Münster E-Mail

Nur drei Wochen, nachdem sich die deutsche Ruderszene am münsterschen Aasee zu den deutschen Titelkämpfen über die Sprintdistanz versammelt hatte, gaben sich Anfang November erneut zahlreiche Vertreter der Rudervereine am Aaseeufer ein Stelldichein. Dennoch war alles anders.

 

Moderatorin Juliane Möcklinghoff im Gespräch mit dem alten und neuen DRV-Vorsitzenden Sigfried Kaidel | Fotos: Detlev Seyb / meinruderbild.de

 

 

 

Statt auf dem Wasser fanden die Aktivitäten auf dem Trockenen statt und statt Einteiler trugen die Teilnehmer festliche Kleidung. Zur 64. Austragung eines Rudertages - der satzungsgemäß regelmäßigen Versammlung des obersten Entscheidungsgremiums - hatte der DRV nach Münster ins Hotel Mövenpick am Ufer des Aasee eingeladen. Anlass war das Jubiläum des Münsteraner Regattavereins, der sein 30. Jahr des Bestehens feiert und die Ehre des Gastgebers innehaben durfte.

 

Der Regattaverein wird von ARC Münster und RVM gebildet und stellt in jedem Frühjahr mit der Aaseeregatta eine der größten Nachwuchsregatten Norddeutschlands auf die Beine sowie häufig ein weiteres Großevent. Passenderweise wurden am Eröffnungsabend viele Mitglieder von ARC und RVM für ihre ehrenamtliche und außergewöhnliche Mitarbeit bei der Durchführung der Regatten in Münster gewürdigt.

 

Münsters Bürgermeisterin Karin Reismann (13. v. l.) ehrte viele ehrenamtlich tätige Helfer.

 

Eine besondere Ehre wurde Thorsten Kortmann zuteil: Für seine "hervorragende nationale Erfolge in der Heranbildung von Rudermannschaften" seit dem Jahr 2009 wurde der RVM-Chefcoach und mehrfache Nationaltrainer mit der silbernen Ehrennadel des DRV bedacht. "Thorsten ist der Motor des Aufwärtstrends", lobte RVM-Vorstandssprecher Dirk Bensmann die Fähigkeiten des A-Trainers.

 

Aus den Händen von DRV-Vorsitzendem Kaidel und DRV-Sportdirektor Mario Woldt erhielt Kortmann die Urkunde und Ehrennadel.

 

An heißen Themen mangelte es dem diesjährigen Rudertag nicht, so dass am Samstag intensiv diskutiert wurde und viele maßgebliche Entscheidungen getroffen werden konnten. An dieser Stelle sei hierzu lediglich auf die ausführlichen Berichte des DRV sowie des NWRV verwiesen. Mehrfach wurde jedoch die gelungene Organisation durch den Münsteraner Regattaverein - maßgeblich seien hier Nils Warnke und Henrik Niebuhr erwähnt - gelobt. Offenbar eignet sich Münster nicht nur als Ort zum Ausüben des Rudersports, sondern auch zum Diskutieren darüber.

 

 

Impressionen vom Rudertag

 

Beim Eröffnungsabend hielt niemand geringeres als Denis Oswald, Mitglied im Internationalen Olympischen Komittee und selbst ehemaliger Leistungsruderer eine bemerkenswerte Gedenkrede für den im April dieses Jahres verstorbenen DRV-Ehrenvorsitzenden Dr. Claus Heß, in der er auch einen philosophischen Ausflug über die Glaubwürdigkeit und den Stellenwert des Sports in der heutigen Gesellschaft unternahm. Für alle, die ihr nicht live beiwohnen konnten, sei sie im Folgenden (in einer von Bensmann leicht gekürzten Fassung) wiedergegeben:

 

"Es hat mich sehr berührt, dass mich der Deutsche Ruderverband trotz meiner begrenzten Deutschkenntnisse gebeten hat, anlässlich des Rudertags 2018 die Gedenkrede für Dr. Claus Heß zu halten.

...

Ich möchte mich daher mehr auf Claus' Sicht des Sports und seine Befürchtungen konzentrieren, dass sich der Sport nicht in die richtige Richtung entwickelte. Er kämpfte für einen Sport, der die wahren Werte respektiert, die ihm innewohnen: Werte, die den Geist und Charakter der Menschen formen, Menschen aus verschiedenen Nationen zusammenbringen, ihnen dabei helfen, ihre Unterschiede zu überwinden, einander zu respektieren und das gegenseitige Verständnis füreinander zu fördern. Er war davon überzeugt, dass Kommerzialisierung, unverschämte Werbung und die Professionalisierung der Sportler diese Werte zerstören würden.

...

Wir müssen zugeben, dass die Welt des Sports in den letzten Jahren von zahlreichen Skandalen unterschiedlicher Art erschüttert wurde. Diese Ansammlung von Problemen innerhalb relativ kurzer Zeit hat das Image des Sports erheblich geschädigt und sein Ansehen und seine Glaubwürdigkeit beeinträchtigt.

Sport lässt die Menschen – vor allem Jugendliche – nicht mehr träumen, und für viele Leute wird es in Anbetracht von Dopingvorwürfen, Manipulationen, Korruptionsfällen oder anderen Phänomenen dieser Art immer schwieriger, Sport zu treiben und sich für sportliche Leistungen zu begeistern.

...

Ich fürchte, dass die von Claus vorhergesagte Entwicklung eingetreten ist, bei der viele führende Sportfunktionäre und Sportler die wahren Werte des Sports aus den Augen verloren haben und eher nach Geld und Prestige suchen. Auf jeden Fall ist das Böse weit verbreitet und das Bild des Sports schwer angeschlagen.

...

Sport ist wahrscheinlich nicht schlimmer als andere menschliche Aktivitäten wie Politik, Wirtschaft, Handel, Industrie, und Kunst, aber man erwartet mehr Integrität als anderswo, denn Sport wird als eine ideale Aktivität angesehen.

Wie in vielen anderen Bereichen müssen wir uns diesen Herausforderungen stellen, auch wenn sie noch so schwierig sind. Und wir dürfen nicht aufgeben. Wir müssen unser Bestes tun, um die wahren Werte des Sports zu verteidigen und dazu beizutragen, seine Glaubwürdigkeit und Attraktivität für die Jugend wiederherzustellen.

Dazu brauchen wir eine neue Generation von Menschen wie Claus Heß, die an einen sauberen Sport glauben, seine Werte in den Vordergrund stellen und eine klare Philosophie vertreten, ohne sich von anderen externen Interessen ablenken zu lassen. Da wir uns heute hier unter Ruderinnen und Ruderern befinden, schätze ich, dass ihr von mir hören möchtet, wo, in dieser problematischen Welt des Sports, unser Sport „Rudern“ steht. Glücklicherweise hatte das Rudern keine finanziellen Skandale, kein Führungsproblem, keinen Fall von irgendeiner Belästigung und nur wenige Dopingfälle. Darüber hinaus waren wir in der Lage, unsere Werte zu schützen, die so passend in der Präambel unserer Statuten ausgedrückt werden. Und wenn ich diese zitiere, werdet ihr nicht überrascht sein, wenn ich euch sage, dass Claus Hess der Hauptbeitragende war, als wir sie entwarfen:

1)

Entwicklung des Individuums:

Diese erlangen durch den Rudersport persönliche Erfahrungen in Teamwork, Respekt, Engagement, Integrität und einen Sinn für Fair Play. In der Anwendung dieser Prinzipien unter allen Umständen werden Ruderinnen und Ruderer unabhängige und verantwortungsvolle Individuen, die bereit sind, den Realitäten des Lebens zu begegnen und die Werte zu teilen, die man mit anderen zusammen erreicht hat.

2)

Internationale Verständigung:

Internationale Ruderwettbewerbe und Treffen werden in einer Weise organisiert, dass sie, zum einen, dem freundschaftlichen Kontakt zwischen den Teilnehmern dienen und, zum anderen, zu einem besseren Verständnis zwischen Menschen und Ländern beitragen, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Grenzen oder politischen Systemen. Ruderinnen und Ruderer bilden eine weltweite „Familie“, die auf den Idealen von Frieden, Freundschaft, Fairness, Verständnis und gegenseitiger Hilfe basiert.

Ja, diese Werte sind immer noch aktuell in unserem Sport. Sie waren es immer und werden immer zu unseren Prioritäten zählen.

...

Auch wenn wir unser olympisches Programm verändern müssen, wird das Rudern an sich eine Kernsportart im olympischen Programm bleiben und sicherlich nicht verschwinden. Im Gegenteil, wir bleiben für viele Menschen eine der am besten organisierten Sportarten und ein Modell für andere. Wir werden als eine Art Festung angesehen, in der die olympischen Werte aufbewahrt werden, und ich bin sicher, dass Claus Hess dies sehr zu schätzen gewusst hätte."

 

IOC-Mitglied Denis Oswald während seiner Rede am Eröffnungsabend

 
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